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Wer bin ich

Wer bin ich?

Wer wäre ich, wenn ich nicht ich wäre?

Die Frage nach unserem Sein und danach, wer wir sind, ist bereits uralt. So alt wie die Menschheit selbst. Wir befinden uns beständig in einem Prozess der Selbstfindung. Doch noch niemand hat bisher eine zufriedenstellende Antwort gefunden. Sind wir ein unendliches Wesen oder lediglich eine Ansammlung von Molekülen?

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.

Dasselbe war im Anfang bei Gott.

Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“

 

(Joh 1,1-3)

Schenkt man der Bibel Glauben, dann wurden alle Dinge durch das Wort Gottes kreiert. Sind wir demnach manifestiertes Wort?

Wir leben in einer Zeit, in welcher der Mensch sich selbst als Krone der Schöpfung bezeichnet. In einer Zeit der Forschung auf höchstem Niveau. Wir greifen auf einen großen Erfahrungsschatz zurück und tauschen uns weltweit aus. Und doch können wir nicht genau sagen, wer wir eigentlich sind.

Ich bin – eine Form des Seins?

Wer bin ich?

Beginnen wir mit dem Anfang. Am Anfang war das Nichts.

Bereits lange, bevor wir das Licht der Welt erblicken, machen wir unsere ersten Erfahrungen. Im Bauch unserer Mutter hören wir glucksende Geräusche, ohne zu wissen, woher sie kommen oder was diese sind. Wir spüren die Wärme und die Weichheit der Gebärmutter, ohne uns darüber Gedanken zu machen, dass wir bereits am Leben sind. Wir empfinden ohne zu reflektieren. Wir sind einfach nur.

Dann, eines Tages, ohne dass wir wissen, dass es so etwas wie Tage überhaupt gibt, treibt uns eine kraftvolle, wellenförmige Bewegung durch einen dunklen Kanal hinaus aus der wärmenden, immer dagewesenen Schutzbehausung in das, was wir später als die Welt bezeichnen werden. Und wir fühlen Kälte, hören Laute, vielleicht auch Schmerz. Aber noch können wir nicht zuordnen, wer da empfindet.

Nach §§ 1f BGB sind wir nun Bürger dieses Landes. Personen nach dem Gesetz. Wir bekommen einen Namen und haben ein Geschlecht. Dies sind die ersten Beschreibungen, die man uns gibt. Aber noch können wir nichts damit anfangen. Wir sind einfach nur.

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Wer bin ich?

In unserer Körpermitte – noch wissen wir nicht, dass wir eine Körpermitte haben – macht sich ein merkwürdiges Gefühl breit. Beinahe tut es etwas weh. Wir haben das erste Mal Hunger, ohne zu wissen, wer da Hunger hat, oder was Hunger ist. Wir fühlen einfach nur. Durch einen Schrei machen wir auf uns aufmerksam. Wir hören wie wir schreien, spüren die Vibration in unserer Lunge und im Kehlkopf und dennoch haben wir noch kein Bewusstsein dafür, dass wir diese Bewegung auslösen. Wir sind der Schrei.

Ich fühle, also bin ich?

Das könnte man jetzt so annehmen. Aber was wäre, wenn wir einen Unfall hätten, unsere Nerven zerstört wären und wir könnten körperlich nichts mehr spüren, sind wir dann noch? Und nehmen wir einmal an, wir lägen im Koma – sind wir dann noch?

In der Biologie wird genau definiert, was ein Lebewesen ist. Das lernen wir bereits in der Schule.

Lebewesen werden als organisierte Einheiten definiert, die zu Stoffwechsel, Fortpflanzung, Reizbarkeit, Wachstum und Evolution fähig sind.

Bin ich nun die Summe meiner Körperzellen? Noch weiß ich ja nicht einmal, dass ich räumlich getrennt von meiner Mutter bin.

Wer also bin ich?

Dies erfahren wir allmählich in den ersten Lebensjahren nach unserer Geburt. In erster Linie durch das, was wir nicht sind. Wir erfahren es durch die „Neins“ unserer Eltern.

Sind wir also die Summe der Begrenzungen durch unsere Umwelt?

Das Ich ist eine spannende Angelegenheit. Die ersten zwei bis drei Lebensjahre ist man sehr bemüht, uns dieses Ich bewusst zu machen. Wir werden uns bewusst, dass wir nicht unsere Umwelt sind. Und kaum haben wir dies begriffen, verzweifeln unsere Eltern daran, wenn wir in die Trotzphase gelangen. Dieser Trotz entsteht nur deshalb, weil man uns beigebracht hat, dass wir eine Persönlichkeit haben, mit der unsere Eltern sich aber just in diesem Moment nicht beschäftigen wollen.

Was denn nun? Ich oder Nicht-Ich?

Die ganze Zeit ging es primär um unser Ich und dann lässt man uns einfach links liegen, wenn wir dieses Ich auch einmal einsetzen. Wir fühlen uns getrennt. Die ersten Angstgefühle drängen sich auf. Das Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle ist geboren.

Ich denke, also bin ich

Der Philosoph René Descartes vertrat die These, dass wir ein rein geistiges Wesen seien, welches sich in einem irdischen Körper befindet. Ich denke, also existiere ich. Nach dieser Ansicht definiert also allein das Denken unser Sein.

Und wenn mein Gehirn nicht so funktioniert, wie von Natur aus vorgesehen? Bin ich dann noch?

Wo in mir ist das „Ich bin“?

Wenn man Europäer fragt, wo im Körper sich ihr Ich befindet, so zeigen die meisten auf ihren Herzbereich. Da irgendwo ist das „Ich bin“. Befragt man jedoch einen Afrikaner nach dem Sitz seines Ichs, dann berührt er mit der Hand seinen Unterleib. Und bei den Asiaten sitzt das Ich im Kopf, beziehungsweise zeigen in Asien lebende Menschen mit dem Finger auf ihre Nasenspitze als Sitz des Ichs.

Die drei Teile des Ichs

Als hätte man nicht schon genug mit dem einen Ich zu tun, unterteilt die Psychologie dieses auch noch in drei Teile: Das Kind-Ich, das Eltern-Ich und das Erwachsenen-Ich.

Während sich unser Kind-Ich auf die Vergangenheit bezieht, also auf die Zeit, in der wir Kind waren, bezieht sich unser Erwachsenen-Ich auf die Gegenwart. Dazu kommt noch das Eltern-Ich, welches sich ebenfalls auf unsere Vergangenheit bezieht. Auf das, was unsere Eltern damals gedacht und gefühlt und wie sie sich damals verhalten haben. Das Kind-Ich in uns verhält, denkt und fühlt sich demnach wie damals als Kind. Nur das Erwachsenen-Ich bezieht sich im Spüren, Denken und Handeln auf die Gegenwart im Hier und Jetzt.

Ich bin: Identifikation

Sind wir womöglich die Summe unserer Identifikationen? Die Addition von Adjektiven über uns? Oder der Quotient aus allem, was wir über uns denken, geteilt durch unsere Persönlichkeitsanteile?

Wenn wir den Sitz unseres Ichs lokalisiert haben, dann können wir vielleicht auch benennen, womit wir uns identifizieren.

Viele Menschen identifizieren sich mit ihrem Beruf. Wir sagen dann zum Beispiel „Ich bin Zahnarzt, Krankenschwester, Buchhalter, Maler oder Erzieherin“. Dasselbe gilt für unseren beruflichen Status. Wir sind Angestellte, Selbständige, Chef oder auch Bürokraft.

Und auch unseren emotionalen Zustand beschreiben wir oft so: „Ich bin ein sensibler Mensch, ein ängstlicher Typ, ein Draufgänger, ein Gewohnheitsmensch oder ein Zyniker.“

Je nachdem, woher wir kommen, sind wir Deutsche, Amerikaner oder Engländer. Wir sind reich, arm, krank, glücklich, zufrieden, groß, klein … Diese Aufzählung könnte man noch endlos fortsetzen.

Unser „Ich bin“ besteht aus einer sehr langen Liste, die uns als Mensch beschreibt.

Wer wäre ich ohne diese Identifikationen? Und können wir uns nicht einfach eine aussuchen?

Vielleicht wachen wir eines Morgens auf und fragen uns: „Wer möchte ich heute sein?“

„Niemand als du selbst zu sein in einer Welt, die Tag und Nacht ihr Bestes tut, um dich wie alle anderen zu machen, bedeutet, den härtesten Kampf zu kämpfen, den ein menschliches Wesen überhaupt kämpfen kann!“

 

(E. E. Cummings)

Sind wir vielleicht doch mehr als das, was wir über uns denken?

In der Medizin ist die Existenz der Seele noch eine recht unerforschte Angelegenheit. Was daran liegt, dass man sie noch nicht im menschlichen Körper lokalisieren kann. Sie wurde jedoch bereits gewogen 😊. Im Jahr 1920 wog der US-amerikanische Arzt, Duncan MacDougall, in einem Experiment sechs sterbende Patienten vor und direkt nach ihrem Dahinscheiden. Das durchschnittliche Gewicht der Seelen beträgt demnach 21 Gramm.

Interessanterweise publizieren in den letzten Jahren immer mehr Neurowissenschaftler persönliche Erfahrungen über das eigene Sein.

So erkrankte Dr. med. Eben Alexander, ein praktizierender amerikanischer Neurologe, selbst an einer seltenen bakteriellen Infektion des Gehirns und machte eine außergewöhnliche Nahtoderfahrung, die er in seinem Buch „Blick in die Ewigkeit“ veröffentlichte. Er fiel in ein siebentägiges Koma. Seine behandelnden Ärzte gaben ihm kaum eine Überlebenschance. In seiner Nahtoderfahrung erlebte er, dass alles miteinander verbunden ist und es eine Trennung zwischen Subjekt und Objekt nicht gibt.

Die Gehirnforscherin Jill Bolte Taylor erlitt mit 37 Jahren einen Schlaganfall, der ihre linke Gehirnhälfte betraf und erlebte mit der gesunden rechten Hirnhälfte, dass wir Menschen auch außerhalb unseres Körpers existieren. Wer sich ihre Erfahrungen genauer anhören möchte, dem sei folgender YouTube-Link empfohlen:

Der Moses Code

Ich bin (,) das ich bin

Liegt das Geheimnis vielleicht in einem Komma verborgen?

Kommen wir noch einmal zur Bibel zurück. Um das „ICH BIN“ geht es bereits im Alten Testament. Gibt möglicherweise die Geschichte Moses Aufschluss über unser Sein?

Eines Tages, als Moses am Berg Horeb seine Schafe hütete, sah er einen brennenden Busch. Obwohl der Busch in Flammen stand, verbrannten die Zweige nicht. Als sich Moses dem brennenden Busch zuwandte, offenbarte sich Gott mit den Worten: „ICH BIN das ich bin.“

Im deutschsprachigen Raum wird diese Bibelstelle auch oft mit „ICH BIN der ich bin“ übersetzt, was jedoch nicht der Originalübersetzung aus dem Hebräischen entspricht.

Was aber in beiden Übersetzungen vergessen wurde, ist das Komma.

Mit Komma liest sich Gottes Antwort gleich vollkommen anders: „ICH BIN, das ICH BIN.“

Wer bin ich also?

Demnach bin ich alles, was ist. Ich bin das Positive und das Negative, ich bin Liebe und Reichtum, aber auch Hass und Wut. Das ICH BIN ist alles was ist.

Wenn du magst, dann kannst du diesen Satz samt Komma einmal eine Weile meditativ betrachten. Wenn du ihn einige Zeit lang zu deinem Mantra machst, wirst du vielleicht beobachten, dass sich dein Bewusstsein verändert und du deine Umwelt anders wahrnimmst. Vielleicht erlebst du dabei sogar das Empfinden der Verbundenheit zu allem, was existiert.

Wenn Worte in Verbindung mit „ICH BIN“ gebracht werden – sollten wir dann nicht vielleicht achtsamer sein, wenn wir uns ausdrücken?

Das „Ich bin“ ist der Geburtsschrei des Bewusstseins. Und Bewusstsein ist in Form gebrachtes Gewahrsein.

Das Zwiebelprinzip

Wie eine Zwiebel dich auf dem Weg zu deinem Sein führen kann 😊.

Hast du schon einmal eine Zwiebel Schicht für Schicht auseinandergenommen? Ganz außen befindet sich eine etwas härtere Schale. Wenn man diese abschält, kommt eine weitere Schicht hervor. Auch diese kann man ablösen, auf dass die nächste zum Vorschein kommt. Vielleicht bist du ja gerade beim Kochen und hast zufällig eine Zwiebel zur Hand 😊.

Löse Schicht um Schicht ab. Was hältst du in der Hand, wenn du bei der letzten Schicht angekommen bist?

Nichts – kommen wir zum Anfang zurück. Am Anfang war das Nichts …

Bin ich das Ende aller Identifikationen?

Kommen wir noch einmal zur Zwiebel zurück. Wenn jede Schicht der Zwiebel für eine Eigenschaft, einen Charakterzug, ein Gefühl, eine Emotion, viele Emotionen, deinen Körper, deine Gedanken – unendlich viele Gedanken – steht, was bleibt dann übrig, wenn du die Zwiebel bis zum Nichts heruntergeschält hat? Was ist dieses Nichts?

Alles, was du beobachten kannst, kannst nicht du sein! Vielleicht magst du einmal bewusst machen, was du alles nicht bist:

Kannst du wahrnehmen, dass du nicht dein Körper bist? Du hast einen Körper, so wie du ein Auto hast. Er ist ein Werkzeug für dein Bewusstsein, aber du bist nicht dein Körper.

Kannst du wahrnehmen, dass du nicht dein Verstand bist? Du bist jemand der denkt, ein Denker, aber du bist nicht dein Verstand.

Kannst du wahrnehmen, dass du nicht deine Emotionen bist? Du hast Emotionen, aber du bist nicht deine Emotionen.

Kannst du wahrnehmen, dass du nicht dein Ego bist? Du brauchst es und es darf auch da sein, aber du bist nicht dein Ego.

Und kannst du auch wahrnehmen, dass du nicht deine Persönlichkeit bist? Du hast eine Persönlichkeit, nämlich die Summe deiner ganzen Identifikationen, aber du bist nicht deine Persönlichkeit.

Wer bist du, wenn du alles weg lässt?

Wenn du jetzt also alles weglässt, was du nicht bist, was bleibt dann übrig?

Das „Ich bin“ bleibt übrig. Du bist das „Ich bin“. Du bist ein Teil der einen Kraft des Universums, des höchsten Bewusstseins.

Das höchste Bewusstsein war schon immer da und wird auch immer da sein. Da wir ein Teil dieses Ganzen sind, ist auch alles andere ein Teil von uns. Alles, was dir begegnet, ist auch immer eine Begegnung mit dir selbst. Und wir können auch gar nicht damit aufhören, wir selbst zu sein. Auch nicht, wenn wir eines Tages sterben.

Das Nichts im Inneren der Zwiebel ist also nicht nichts, sondern alles, was ist. Ganz schön schlau, so eine Zwiebel 😊.

„Meine Religiosität besteht in einer demütigen Bewunderung
des unendlich überlegenen Geistes,
der sich in dem wenigen offenbart,
was wir mit unserer schwachen und hinfälligen Vernunft
von der Wirklichkeit zu erkennen vermögen.“

(Albert Einstein)

Wer bin ich?

Und wie werde ich mich wieder los?

Das mit dem „Ich“ ist schon eine verflixte Angelegenheit. Da unser Ich ständig damit beschäftigt ist, in eine Identität – in eine Rolle – zu schlüpfen, ist auch unser empfundenes Glück oder Unglück davon abhängig. In welcher Rolle befindest du dich gerade? In der Rolle des Erfolgreichen oder in der Rolle des Opfers? Wie ein Schauspieler übernehmen wir Rollen im Leben, mit dem Unterschied, dass wir – im Gegensatz zu dem Schauspieler, der seine Rolle wieder ablegt, nachdem der Theatervorhang gefallen ist – unsere Rolle, unser Theaterstück, für echt halten.

vor allem die gespielte Rolle

Egal welche Rolle wir einnehmen, sie trennt uns vom großen Ganzen – der All-Einheit.

Und mit dem Getrenntsein beginnt unser Leiden. Das Ich muss leiden, sonst hätte es nichts mehr zu tun. Ist das nicht verrückt 😊?

Die stete Suche des Ichs nach dem Glück ist die Ursache für unser Unglücklichsein.

Sobald wir diese Welt betreten, bewegen wir uns in einem ewigen Kreislauf aus Entstehen, Werden und wieder Vergehen. Möchte unser Ego nun gerne etwas bewahren oder festhalten – zum Beispiel Materie, eine Partnerschaft oder einfach nur gute Gefühle – dann ist unser Ich zwangsläufig zum Leiden verurteilt. Von all dem müssen wir uns eines Tages wieder lösen. Wir kommen mit nichts auf die Welt und ebenso werden wir mit nichts von ihr gehen. Dazwischen gibt es tausende kleinere und größere Abschiede im Leben, wann immer wir uns an etwas binden.

Unser Ich – das Ego – bedeutet „Ich will“. Das „Ich“ will dieses oder jenes und hat genaue Vorstellungen davon, wie etwas aussehen oder sich anfühlen sollte. Anstatt einfach einmal zufrieden zu sein, mit dem, was gerade ist und die Dinge auf sich zukommen zu lassen, mischt es pausenlos bei der Programmgestaltung des Lebens mit und steht auf diese Weise dem wahren Glück im Weg.

Wie werde ich mein „Ich“ nun wieder los 😊?

Glücklicherweise ist das Ich nur eine Illusion. Eine ziemlich gute, wohlgemerkt 😊! So gut, dass wir nicht daran zweifeln, dass die Welt, die wir wahrnehmen, erfahren und erleben, echt ist. Nach unserem Empfinden und unserer Überzeugung ist diese Illusion unser gesamtes Leben.

Wenn wir diese nun aufgeben, verlieren wir auch zwangsläufig unsere Existenz – die Art von Existenz, welche wir gewohnt sind. Dass dies dem Ich nicht gefällt, brauch hier nicht erwähnt zu werden 😊.

Ich bin Illusion, also bin ich! Verlieren wir diese, so fühlt sich das an wie sterben. Wenn wir unsere Identitäten aufgeben, geben wir unsere Existenz auf. „Ego“ bedeutet auch „Überleben“. Dass unser Ego unsere Existenz sichern möchte, ist eine ganz natürliche Reaktion unseres Ichs. Ja, es ist sogar seine Aufgabe!

Wenn wir uns nun des-illusionieren möchten, braucht es Bewusstsein darüber, was wir alles über uns denken und fühlen, wer wir sind. Dazu gehören jedoch nicht nur die Schokoladenseiten, auf die wir stolz sind, sondern auch die Schattenseiten, die wir gern verstecken – vor anderen, aber vor allem vor uns selbst. Dabei handelt es sich um die Seiten, welche wir an uns selbst nicht mögen. Manchmal verstecken wir diese sogar so gut vor uns selbst, dass wir sie partout nicht wahrnehmen können.

Der Schatten am „Anderen“

Wir können sie jedoch in anderen wahrnehmen. Ja, du hast richtig gelesen 😊. Wir können unsere eigenen Schattenseiten in anderen Menschen wahrnehmen. Das, was wir bei einem anderen doof finden, ist oftmals etwas, das wir an uns selbst doof finden. Ganz schön doof, oder 😊?

Nein – eigentlich ist das ganz schön schlau! Denn da geht es lang! Treten wir mit anderen Menschen in Kontakt und löst diese unangenehme Gefühle in uns aus, dann liegt das mit Sicherheit nicht an unserem Gegenüber, sondern ausschließlich an uns! Wir machen uns unsere Gefühle selbst.

Der andere ist lediglich ein Spiegel, in dem wir diese Gefühle nun auch einmal sehen können. Das „Ich“ denkt dann, der andere ist doof – aber was man sagt, das ist man selber, sagen alle doofen … (lassen wir das 😊). Aber genau darum geht es! Wir finden uns selbst doof. Es ist nicht der andere, sondern es ist eine Eigenschaft, ein Charakterzug, irgendeine Identität in uns, die wir an uns selbst ablehnen. Für die wir uns schämen oder Schuld empfinden.

Die Sonnenseiten sind im Gegensatz zu den Schattenseiten ganz einfach zu erkennen. Das ist der erfolgreiche Ingenieur in uns, die stolze Mutter, der empathische Therapeut. Dafür klopft uns das Ich anerkennend auf die Schulter.

Manchmal gestehen wir uns ansatzweise ein, dass wir die eine oder andere Macke besitzen, aber anstatt sie einmal zu durchfühlen, lenken wir uns lieber mit Dingen ab, die für gute Gefühle sorgen.

So wird das nix mit der Desillusionierung 😊

Wenn wir erkennen wollen, wer wir wirklich sind, wer das wahre Wesen hinter unserer Ich-Identifikation ist, dann ist es hilfreich, wenn wir uns von unseren Identifikationen lösen.

Und sich von etwas lösen zu können, braucht es erst einmal die Annahme, von dem, was ist.

Und wie geschieht dies? Annehmen geschieht, indem wir zulassen.

Wir lassen alle unangenehmen Gefühle in Bezug auf uns selbst zu. Es sei darauf hingewiesen, dass dies ziemlich unangenehm werden kann! Wir durchfühlen alles, was da ist: Das Gefühl der Minderwertigkeit, das Gefühl schuldig zu sein, unsere Scham, unsere Wut und unsere Traurigkeit – alles, was wir bei anderen verabscheuen. Je scheußlicher das Gefühl, desto besser 😊.

Und wenn wir dann unsere Gefühle – meist geht dies nur mit einem Gefühl auf einmal – ganz authentisch, bewusst und bis zu ihrer völligen Aufgabe durchfühlt haben, kommt plötzlich der Moment, wo wir spüren, dass wir – sollten wir dies so weiter betreiben – vielleicht sterben könnten.

Auch wenn sich der Moment des echten spürens sehr kritisch und bedrohlich anfühlen kann, so ist unser physisches Leben dennoch nicht in Gefahr, wenn wir uns diesem Prozess weiter hingeben.

Wir denken, wir sterben. Aber es ist nur unser „Ich“, welches den Löffel abgibt.

„Alles“ oder „Nichts“

Unsere Moleküle scheinen ihre Integrität zu verlieren und wir haben das Gefühl, zu Staub zu verfallen. Dies kann sogar so weit gehen, dass wir das Empfinden haben, keinen Körper mehr zu besitzen. Und während wir scheinbar zu Staub zerfallen, geschieht etwas Unglaubliches! Wir erfahren, dass wir nicht Nichts sind, sondern dass wir alles sind, was ist!

Wir erleben uns ohne äußerliche Begrenzung. Unser Sein existiert in allem, was ist. So kann es sein, dass wir die Welt auf einmal viel bunter wahrnehmen. Ein Gegenstand ist dann nicht einfach mehr nur ein Gegenstand, sondern er ist das, was wir sind – in Form gebrachtes Bewusstsein. Ein Vogel ist nicht mehr einfach ein Vogel – er ist ein Wunder, welches wir staunend betrachten, während wir erkennen, dass wir aus demselben Stoff sind wie er – reinem Sein!

Wir erfahren, dass wir alles sind, was wir wahrnehmen können. Und mit dem All-Einssein kommt auch ein leichtes, freudiges Gefühl zu uns, was uns und alles, was ist, durchdringt. Unser „Ich bin“ freut sich über unser Sein – unsere wahre Existenz.

Der Sterbeprozess des Egos

Dieser Sterbeprozess des Egos erfordert ganz schön viel Mut. Sich der Wahrheit zu stellen, ist nicht einfach und unser Ego kennt sehr viele Tricks und Gründe, damit wir uns diesem Prozess nicht stellen. Je mehr wir aus unserem Verstand heraus leben, desto schwieriger wird die Bereitschaft sein, das Ego aufzugeben. Es ist ein Meister im Bewahren von Identitäten. Dies ist jedoch nur allzu verständlich! Dazu ist es da – wenn es nur nicht immer so maßlos übertreiben würde 😊!

Dein Ich ist immer unfrei. Egal, welche Wege wir gehen, wir werden an Grenzen stoßen. Die einzige wirkliche Freiheit ist die Freiheit des Ichs.

Das Leben, wie wir es kennen, ist eine Erkenntnis-Reise zum Selbst und damit eine Reise ganz zum Anfang zurück. Wir erinnern uns – am Anfang war das Nichts. Und da, wie wir ja nun wissen, dass Nichts nicht Nichts ist, war bereits von Anfang an alles da, was wir brauchten. Wir kommen ohne Ich auf diese Welt und trotzdem ist alles da. Wir müssen uns nur erinnern!

Wenn wir im Nichts sind, also ohne Illusion, dann kann auch nichts unsere Sicht auf das Leben trüben. Da wir alles sind, was ist, können wir auch zu dem werden, was wir benötigen, was uns dienlich ist und woran wir Freude haben. Wir müssen um nichts kämpfen, sondern brauchen einfach nur empfangen.

Welch ein Traum, oder 😊?

Die lästige Sache mit den Gefühlen

Wenn da nur nicht diese eine lästige Sache mit den Gefühlen und Emotionen wäre!

Der Verlust des Ichs erfolgt nicht mit dem Verstand oder dem Geist. Für den Prozess der Selbsterkenntnis müssen wir uns mit unserem Emotionalkörper beschäftigen. Unser Identitätsgefühl zeigt sich nämlich nicht so sehr über das, was wir über uns denken, sondern primär darüber, was wir empfinden.

Der Prozess der Desillusionierung

Um sich seinen Empfindungen vollkommen authentisch stellen zu können, ist es von Vorteil, einen geschützten Raum dafür zu haben. Natürlich kann man auch im Supermarkt die Erleuchtung finden, aber besser ist es, wenn man von vornherein weiß, dass niemand komisch schaut, wenn man sich Emotionen wie zum Beispiel Schuld und Scham so voll und ganz stellen möchte 😊.

Und am sinnvollsten wäre es sogar, wenn man bei diesem Prozess einen Krieger an seiner Seite hätte. Jemanden, der sich mit dem auskennt, was da passiert. Jemand, der um die Tücken unseres Ichs weiß. Und um die vielen Ausreden, die unser Ego hervorbringt. Jemand, der uns zur Seite steht, damit wir nicht vor uns selbst flüchten, wenn die unangenehmen Gefühle sich voll ins Zeug legen.

Haben wir gerade keinen Krieger an unserer Seite, dann geht natürlich auch jemand anderes – ein guter Freund oder der Partner zum Beispiel. Wichtig ist hierbei seine Rolle als Begleiter, der dann in den Prozess eingreift, wenn unser Ego beginnt, Ausreden zu erfinden.

Wenn wir uns unseren Gefühlen stellen wollen, gilt es, diese erst einmal wahrzunehmen. Dazu eignet sich am besten die folgende Frage des Begleiters:

„Wie fühlst du dich gerade 😊?“

Begegnen uns Menschen auf der Straße, die wir kennen, dann ist der erste Satz nach dem „Hallo“ meist die Frage: „Wie geht es dir?“ Worauf dann die Pauschalantwort „ganz gut“ oder „so lala“ erfolgt.

Diese Art der Konversation ist hier nicht gefragt! Die Frage, wie du dich fühlst, richtet sich an dein innerstes Empfinden. Sie ist ausschließlich mit dem Herzen und keinesfalls mit Kopf zu beantworten!

Also – wie genau fühlst du dich jetzt in diesem Moment?

Und dann lauschst du in dich hinein. Und egal welche Gefühle dann kommen sollten und ganz egal, wie kindisch sie dir vorkommen – formuliere sie, sprich sie aus!

Gefühle blockieren

Es sind möglicherweise Gefühle aus deiner Kindheit. Und vielleicht hast du sie sehr viele Jahre unterdrückt und dir schießen sofort die Tränen in die Augen, wenn du sie zulässt und dich ausdrückst. Das ist gut so! (Deshalb solltest du dies nicht im Supermarkt machen 😊).

Teile deinem Begleiter aufrichtig mit, was du empfindest. Seine Aufgabe ist es, dir neutral und offen zuzuhören und dich darauf hinzuweisen, wenn dein Ego versucht, dich aus dem Prozess herauszuholen, indem es beginnt, Geschichten zu erzählen. Es kann dann vorkommen – ja, es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass dies geschieht – dass dein Ego deinem Begleiter erklären möchte, warum du dich jetzt so fühlst, wie du dich fühlst. Das war nämlich deswegen, weil damals und überhaupt. Es will flüchten.

Dein Begleiter hat nun die Aufgabe, dich wertschätzend darauf hinzuweisen, dass das, was du gerade erzählst Bullshit ist, ein Hirnpups oder einfach eine Geschichte und dass du nur bei dem bleiben sollst, was du gerade fühlst. Es dauert eine Weile, bis du dich diesem Prozess ganz und gar hingeben kannst. Und es ist vollkommen normal, dabei das Gefühl eines sich windenden Wurms zu haben 😊.

Dem Ego auf der Spur

Du spürst ganz genau, wo es lang geht und dein Ego weiß ganz genau, dass es da nicht durch möchte. Traut euch weiterzumachen – du und dein Begleiter. Stelle dich immer wieder aufs Neue deinen Empfindungen, bis du sie endlich voll zulassen kannst. Und dann spüre! Spüre deine Scham, deine Schuld, dein Gefühl der Minderwertigkeit, deine Einsamkeit, die Verlassenheit, die Wut und die Angst und alles, was da kommt. Sei deine Emotion, deine Empfindung – mit Haut und Haaren.

Bis zu dem Punkt, wo es nicht mehr schlimmer werden kann. Bis du den Höhepunkt deiner Gefühlsskala erreicht hast. Und dann löse dich von allem, was du wahrgenommen hast. Du brauchst nichts tun – die Emotion löst sich von dir. Was dann bleibt, ist ein Empfinden der unendlichen Erleichterung und Liebe. Du fühlst dich frei. Du hast einen Teil deines Ichs, einen Teil deiner Illusionen von dir gelöst. Und nun bist du frei! Du bist kein Opfer mehr, sondern ein freier Mensch, der sein Leben eigenverantwortlich in die Hand nehmen kann. Und ein kleines bisschen wirst du auch die Empfindung der Unsterblichkeit und der Unbesiegbarkeit in dir tragen.

Eine kleine Meditation

Wenn du magst, dann stell dir einmal ein Kino vor. Auf der Leinwand läuft ein Film. Es ist der Film deines Lebens. Und du bist alles, was du dort erkennen kannst. Du bist jede Szene auf dieser Leinwand, jeder Farbwechsel, jede Emotion, jedes Gefühl. Jedenfalls denkst du, dass du das gerade alles erlebst.

Du identifizierst dich mit der Leinwand.

Wir möchten dich einladen, einmal einen Schritt von ihr zurückzutreten. Vielleicht auch ein paar Schritte. Am besten soweit zurück, dass du die Leinwand als Ganzes sehen kannst. Auch ihre Begrenzung und den Vorhang links und rechts von ihr. Lass deinen Blick weit werden, so, als ob du in einer Galerie vor einem Gemälde stehst und die Gesamtheit des Bildes erfassen möchtest. Du verlierst dich nicht in den einzelnen Darstellungen oder Farbtupfen, sondern hast alles gleichzeitig im Blick. Einschließlich dessen, was sich um die Leinwand herum befindet.

Es ist immer noch dein Film. Du hast jedoch etwas Abstand zu ihm. Gehe nun noch ein Stückchen zurück, nimm Platz auf einem der Kinosessel. Vielleicht magst du dich ganz nach hinten in die letzte Reihe setzen. Kannst du alles auf einmal wahrnehmen? Leinwand, Vorhang, die Wände des Raumes? Über dir ist der Projektor, der den Film auf die Leinwand projiziert.

Die Beobachtungen ausdehnen

Stell dir vor, du könntest deine Beobachtungen ausdehnen und nicht nur den Kinosaal wahrnehmen, sondern auch das gesamte Gebäude und die Stadt um das Gebäude herum. Und noch etwas weiter. Kannst du dich weiter ausdehnen über das gesamte Land in dem du lebst, weiter über den Kontinent, auf dem du wohnst, und noch etwas weiter über die gesamte Erde? Und auch darüber hinaus ins Weltall? Fühle, wie weit du dich ausdehnen kannst. Verweile dort einen Moment und spüre nach.

Kehre nun zurück aus dem Weltall, zurück auf die Erde, in dein Land, deine Stadt, bis du wieder im Kino angekommen bist. Wenn du magst, kannst du wieder ganz dicht an die Leinwand herantreten. Nur, um den Unterschied noch einmal zu spüren.

Alles, was du beobachten kannst, bist nicht du!

Du bist nicht die Leinwand, das Kino, die Erde. Auch nicht deine Emotionen, Gefühle, Gedanken, dein Körper. Du bist das Licht im Projektor des Kinos, welches den Film deines Lebens auf die Leinwand projiziert. Und wenn du möchtest, dann kannst du auch einen anderen Film in den Projektor legen. Der Stoff, aus dem der Film ist, entspringt deiner Fantasie. Hast du dir schon einmal überlegt, wie der Film deines Lebens aussehen würde, wenn du der Regisseur wärst? Welche Szenen deines bisherigen Lebens würdest du umschreiben?

Wenn der Stoff unseres Films unsere Fantasie ist, dann können wir ihr auch freien Lauf lassen und einen Film ganz nach unserem Geschmack auf die Leinwand zaubern.

Wie würde dein Film aussehen? Wäre es vielleicht eine Komödie, ein Liebesfilm oder eher ein Actionfilm? Du hast die Wahl 😊.

Die Zeit ist reif, um endlich dahinter zu kommen, wer wir sind. Wir haben lange genug geforscht und alle erforderlichen Fragen gestellt 😊.

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